„Wir füllen eine Lücke, die der Staat nicht füllen kann“
Warum haben Sie sich entschlossen, als Freiwillige zu helfen?
Sikite: Ich habe Freunde, die in der humanitären Hilfe arbeiten und auch schon vorher immer wieder für Nichtregierungsorganisationen gearbeitet haben. Sie nehmen eine ganz wichtige Funktion ein, denn gerade bei Katastrophen füllen sie eine Lücke, die der Staat einfach nicht füllen kann. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, auch zu helfen, wo ich kann.
Andhika: Ich arbeite sehr gerne mit Kindern zusammen. Der Freiwilligendienst ermöglicht es mir, in einer schwierigen Zeit ein wenig nach ihnen zu sehen. Die Vorgehensweise ist dabei immer ähnlich: Wenn wir in ein Dorf kommen, beobachte ich erst einmal die Situation. Ich setze mich zu den Kindern, höre zu, über was sie reden und stelle Fragen, wenn ich denke, dass es angebracht ist. Erst dann fange ich mit einer Gruppeneinheit an.
Christian Sikite ist Arzt und untersucht als freiwilliger Helfer Kinder, die in den vom Tsunami verwüsteten Gebieten leben und kaum Zugang zu medizinischer Versorgung haben.Foto: Bente Stachowske
Mit welchen Problemen kommen die Betroffenen zu Ihnen?
Sikite: Zu Beginn mussten wir Ärzte akute Nothilfe leisten und viele chirurgische Eingriffe vornehmen. In der jetzigen Phase kommen die Menschen vor allem mit Beschwerden wie Bluthochdruck und Pilzinfektionen zu uns. Die hygienische Situation ist schlecht und aufgrund der negativen Erlebnisse und Traumata schlafen viele Menschen schlecht, manche sogar kaum noch. Die mobile Klinik ist wichtig für die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Gebiete. Sie ist ein niedrigschwelliges und kostenfreies Angebot, das gerne angenommen wird. Auch weil es für viele von ihnen schwer ist, nach der Arbeit, etwa auf den Reisfeldern, zu einem viele Kilometer entfernten Arzt zu gehen, der oft nur zu begrenzten Zeiten Patienten empfängt. Wir kommen hingegen direkt zu den Menschen. Wir wollen damit auch ein wichtiges Zeichen senden: Wir lassen euch nicht allein mit eurem Schicksal!
Andhika: Wenn das Eis gebrochen ist und ich etwas über die Kinder in Erfahrung bringen konnte, versuche ich sie spielerisch zu mobilisieren. Nach traumatischen Erfahrungen ist oft der gesamte Körper unter extremer Anspannung. Wenn sie sich bewegen, wirkt sich das positiv auf ihr Gefühlsleben aus. Ich versuche außerdem, ihnen mittels Spiel und Spaß zu entlocken, wie sie sich fühlen. Auch hier helfen Bewegungsübungen. Kinder können ihre Emotionen mit Aktionen viel besser ausdrücken als mit Worten. Unsere Hilfe beschränkt sich aber nicht nur auf die Kinder, wir haben natürlich auch ein Ohr für die Erwachsenen.
Permata Andhika ist Psychologin und arbeitet als freiwillige Helferin für unsere Partnerorganisation in Indonesien. Viele Kinder sind nach dem Tsunami durch den verlust von Angehörigen und schlimme Erlebnisse traumatisiert. Permata versucht, ihnen mittels Spiel und Spaß zu entlocken, wie sie sich fühlen.Foto: Bente Stachowske
Das Interview führte Holger Vieth, Januar 2019